Gefahrenzone: Schlaf- und Badezimmer
Hannover, 05.03.2019 – Glatte Böden, Duschen ohne Haltegriffe, schlechte Beleuchtung, eine Kante am Teppich – und schon ist es passiert. Mehr als die Hälfte aller Stürze ereignen sich im heimischen Schlaf- und Badezimmer. Doch die Stolperfallen sind häufig nur die Auslöser. Rund 90 Prozent aller Stürze in der Generation 65 plus sind das Resultat „innerer Faktoren“. Mit den Jahren lässt nicht nur der Gleichgewichtssinn nach, auch die Reaktionsfähigkeit wird schlechter. Zusätzlich beeinträchtigen altersbedingte Erkrankungen wie Gelenkverschleiß, Diabetes, Herzrhythmusstörungen oder Koordinationsschwierigkeiten die Gangsicherheit. Was viele nicht wissen: Nehmen Patienten bestimmte Medikamente ein oder sind sie dauerhaft auf mehr als vier Präparate angewiesen, erhöht sich das Sturzrisiko zusätzlich. Diese arzneimittelbedingten Risikofaktoren können jedoch durch ein gutes Medikationsmanagement reduziert werden, weiß die Apothekerkammer Niedersachsen.
Risikofaktor Polymedikation
Besonders bei Neuroleptika, Antidepressiva, Benzodiazepinen, Nitraten, Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen, Blutdruckmitteln und Entwässerungspräparaten sollte ein kritisches Auge auf das erhöhte Risiko, zu fallen, geworfen werden. Auch eine besonders kritische Durchsicht der Medikation bei jenen Patienten, die dauerhaft vier und mehr Arzneimittel einnehmen – die sogenannten Polymedikation –, ist sinnvoll, wenn Wechselwirkungen nicht einfach auszuschließen sind. Damit das Sturzrisiko wegen der Medikation im Alter verringert wird, kann der behandelnde Hausarzt ein geriatrisches Assessment durchführen. Damit werden medizinische, funktionelle und psychosoziale Daten und Probleme des Patienten erfasst. Auf dieser Basis wird ein Maßnahmenkatalog entwickelt, mit dem Stürze und Verletzungen vermieden werden können. Ergänzend dazu sollte die Medikation sehr genau auf die passende Wirkstoffauswahl geprüft werden. Besonders gut gelingt das im Rahmen eines gemeinsamen Medikationsmanagements von Arzt und Apotheker. Der Apotheker kann sein Fachwissen einbringen und weniger problematische Arzneistoffe, eine andere Dosierung oder veränderte Einnahmezeitpunkte vorschlagen. In Niedersachsen sind von der AOK durch besondere Verträge mittlerweile strukturierte Wege für ein Medikationsmanagement definiert worden.
Vorsorge? Unerlässlich!
Zusätzlich ist eine Sturz-Prophylaxeberatung durch den Apotheker sinnvoll. Für die Stabilisierung des Knochens kann er zum Beispiel einige sehr gezielt wirksame Präparate empfehlen und zur richtigen Einnahmeweise beraten. Zudem sollten Patienten auf eine gute Versorgung mit Calcium und Vitamin D achten, diese Präparate müssen jedoch unbedingt zu der sonstigen Medikation passen. Für die Vitamin-D-Bildung sind regelmäßige Aufenthalte im Tageslicht ratsam. Da etwa 25 Prozent aller Stürze beim nächtlichen Toilettengang passieren, sollten sich Betroffene zum richtigen Einnahmezeitpunkt von harntreibend wirkenden Diuretika beraten lassen. Diese werden besser nicht am Abend eingenommen. In Abstimmung mit dem Arzt sollte die Trinkmenge vor der Nachtruhe überdacht werden. Auch Hilfsmittel wie Inkontinenzvorlagen können nächtliche „Wanderungen“ und damit Stürze vermeiden.
Aus dem Alltag für den Alltag
Apotheker haben durch die Nähe zu ihren Patienten ein umfangreiches Erfahrungswissen, um Betroffenen weitere Tipps wie eine ausreichend blendfreie Beleuchtung, die Beseitigung von losen Teppichen und Kabeln oder Haltegriffe im Bad mit auf den Weg geben. Die Muskulatur und die Koordinationsfähigkeit trainieren, das gelingt zum Beispiel mit Tanzen oder altersgerechtem Muskeltraining – und wirkt sich positiv auf die Gangsicherheit aus.
Schwerwiegende Folgen
Während jüngere Menschen reaktionsschnell sind und einen Sturz oft noch abmildern können, sind die Folgen für die ältere Generation schwerwiegender. Zehn bis 20 Prozent der Gestürzten ziehen sich eine Verletzung zu, circa fünf Prozent der Stürze enden mit einem Knochenbruch. Ganz oben auf der Liste: hüftgelenksnahe Oberschenkelbrüche – Tendenz mit zunehmendem Alter steigend. Häufig sind ältere Menschen nach einem Sturz zudem nicht mehr in der Lage, allein wieder aufzustehen. Stundenlanges Liegen mit daraus resultierender Unterkühlung und Austrocknung sowie Druckgeschwüre auf der Haut verschlimmern die Situation zusätzlich. Bis zu 50 Prozent der Patienten, die wegen ihres Sturzes im Krankenhaus behandelt werden mussten, sterben innerhalb der folgenden zwölf Monate. Weit mehr als die Hälfte der Überlebenden bleibt in ihrer Alltagsbeweglichkeit eingeschränkt.
Wenn das Selbstbewusstsein bricht
Die Angst vor dem Hinfallen führt zu Verunsicherungen, viele vermeiden Bewegung – und stürzen dann noch schneller. Besonders fatal: Bei vielen Stürzen sind nicht nur Verletzungen oder Knochenbrüche die Folge, auch das Selbstbewusstsein leidet. Betroffene entwickeln eine regelrechte „Fall-Angst“. Berechtigt, denn fast die Hälfte aller gestürzten Senioren fällt innerhalb eines Jahres erneut.
Presseinformation der Apothekerkammer Niedersachsen